Monday 21 March 2016
By: Regine Müller
Im Symphoniekonzert der Tonhalle erklang Francis Poulencs Werk für zwei Klaviere und Orchester. Dmitry Liss dirigierte.
Aus Russland kommen in den letzten Jahren nicht viele gute Kultur-Nachrichten. Aber es scheint, dass eine möglichst weite räumliche Entfernung von Moskau den Künsten in Russland förderlich ist. Will sagen: je weiter weg, desto besser. Die Stadt Perm mit ihrem genial verrückten Dirigenten Teodor Currentzis ist ein solches Beispiel.
Ein weiteres – ebenfalls im fernen Ural – ist Ekaterinburg. Dort wird das rege Musikleben mit seiner Ausstrahlung bis weit hinein in sibirische Dörfer zu Recht als „Wunder von Ekaterinburg“ bezeichnet. Mehr als sagenhafte 20.000 Mitglieder pflegt der Freundeskreis der Philharmonie. Der Dirigent Dmitry Liss verließ 1995 Moskau, um sich seither dem Ural Philharmonic Orchestra in Ekaterinburg zu widmen – und damit dem „Wunder“ der Ural-Stadt.
Nun ist er bei den Düsseldorfer Symphonikern zu Gast. Liss tritt bescheiden auf, sein feinsinniges Lächeln besitzt ein dezentes, aber unwiderstehliches Charisma. Seine Zeichengebung ist meist sparsam, immer hochpräzise, doch manchmal scheint er regelrecht zu explodieren. Da das selten passiert und keineswegs kalkuliert wirkt, ist der Effekt enorm. Dann reißt er das Orchester in soghaften Steigerungen fast vom Sitz.
Antonín Dvořáks „Neue Welt“-Symphonie, die im zweiten Teil erklingt, füllt Liss mit strömend weitem Atem. Die Tempi sind durchweg moderat gewählt, überhaupt scheint Liss nicht auf der Suche nach einer möglichst originellen, neuartigen Deutung und nicht darauf erpicht, zum Zwecke der Erleuchtung etwas gegen den Strich bürsten zu wollen. Liss will Dvořáks Meisterwerk einfach schlüssig und mitreißend erzählen und versteht sich eher als liebevoller Motivator denn als genialischer Einpeitscher. Die Düsseldorfer Symphoniker danken es ihm mit schönsten Bläser-Soli (Englisch-Horn im zweiten Satz), cremig glühendem Streicher-Klang und sonorer Blech-Phalanx.
Vor der Pause gibt es zwei Schmankerl ganz anderer Art: Der in Düsseldorf lebende amerikanische Komponist Kevin Beavers hat mit „Symphonic Transformations of a Theme by John Beall“ im Auftrag der Tonhalle ein bekömmliches Stück Neuer Musik komponiert, das virtuos alle Orchestergruppen anspricht und zur Geltung kommen lässt. Nur vereinzelt streut der Komponist minimale Verstörungen ein, aber überwiegend fließen Breitwand-Klänge in gebändigten Bahnen und ausgeglichener Stimmung. Kein Wunder, der Mann ist Yogalehrer im Zweitberuf.
Ein fast wolllüstiges Raunen geht dann durch den Saal, als die niederländischen Klavier-Brüder Arthur und Lucas Jussen mit sportlichem Schritt das Podium entern: Die beiden blutjungen Wuschel-Blondschöpfe sind wirklich umwerfend attraktiv und scheinen vor wibbeliger Vitalität schier zu platzen. Doch dann spielen sie Francis Poulencs funkelndes Konzert für zwei Klaviere in d-moll nicht nur mit packendem, angriffslustigem Zugriff, sondern auch mit äußerst ausgeschlafenem Sinn für Poulencs Witz und seinen bestechenden Hang zur Ironie. Der französische Komponist erweist mit seinem Doppelkonzert vor allem Mozart und dessen d-moll-Konzert seine Reverenz – und die Jussen-Brüder hantieren elegant mit den Mozart-Anspielungen, indem sie vom satten Poulenc-Ton ins schlankere Klassik-Register springen und wieder zurück in die chansonhaft-süffigen Poulenc-Sentimentalitäten.
Großer Jubel für die Jungs, als Zugabe drei Miniaturen aus Bizets „Jeux d’enfants“.